Am 4. Mai 2012 luden das Institut Kraftfahrwesen der Heereslogistikschule, die Rheinmetall MAN Military Vehicles Vienna und der Traditionsverband Heereskraftfahrwesen zu einer Veranstaltung in den Räumlichkeiten der HLogS in der Badener Martinekkaserne unter dem Titel „Vom ÖAF sLKW zum MAN HX/SX: Vierzig Jahre Fahrzeugentwicklung“. Oberst Günther Gutmann, Leiter des Instituts Kraftfahrwesen und „Hausherr“ in Baden, präsentierte den Überblick über die Entwicklung und Erprobung des ÖAF sLKW in den Jahren 1974 bis 1976. In der ersten Hälfte der 1970er Jahre gab die österreichische Politik den Anstoß zur Entwicklung eines hochgeländegängigen Heeres-Lastkraftwagens mit 10 Tonnen Nutzlast. Wiewohl zu diesem Zeitpunkt in Deutschland bei MAN bereits der „KAT“ als 2-, 3- und 4-achsiges Allradfahrgestell verfügbar war, entschied man sich für eine Entwicklung und Fertigung durch ein österreichisches Unternehmen. Die Österreichische Automobilfabrik (ÖAF) griff dafür auf ihre bereits seit längerer Zeit bestehende Zusammenarbeit mit MAN zurück und entwickelte auf Basis von MAN KAT Rahmen, Achsen, Fahrerhaus und Getriebe ein 3-achsiges Fahrzeug für die Erprobung im Bundesheer – den „Geländegängigen Lastkraftwagen, D, 10t, ÖAF 20.320“.
Der Hauptunterschied zum KAT lag in der gewählten Motorisierung. Während der KAT auf einem luftgekühlten Deutz-Motor aufbaute, wählte ÖAF den wassergekühlten MAN D2538, einen Achtzylinder Dieselmotor in V-Bauweise mit Kugelkammerbrennraum und Turboaufladung, welcher aus 12.76 Litern Hubraum eine Leistung von 320 PS lieferte. Um das Problem der Motorkühlung auch bei geringen Drehzahlen und Geschwindigkeiten wie bei Fahrten in schwerem Gelände in den Griff zu bekommen, wählte man einen hydrostatisch angetriebenen Lüftermotor (wie auch bereits in den Schwerlast-Straßenzugmaschinen im Einsatz). Dies ermöglichte ein niedrig bauendes Fahrerhaus, da das gesamte Kühlsystem seitlich rechts hinten angeordnet werden konnte. Um auch schwere Anhängelasten ziehen zu können, wurde antriebsseitig – wie auch beim MAN KAT – auf ein vollsynchronisiertes Sechsgang-ZF Schaltgetriebe mit Wandler-Schaltkupplung (WSK 400) zurückgegriffen. Diese Lösung erlaubte auch ein bislang noch nicht bekanntes Fahrgefühl im Gelände, da ein Abwürgen des Motors nunmehr unmöglich war (zur Typenreihe des „S“ von G1 bis G5 siehe auch unsere Fahrzeugbeschreibung zum ÖAF gl sLKW 20.320 G1).
Ein „Ableger“ der ÖAF Entwicklung war der Ende der 1970er Jahre seitens ÖAF entwickelte Radpanzer Prototyp „GAF“. Während die Konkurrenz Steyr den „Pandur“ auf einem völlig neuen integrierten Fahrgestell aufbaute, wählte ÖAF das bestehende Fahrgestell des sLKW. Durch diese Lösung baute der Radpanzer jedoch sehr hoch, letztlich gewann der Steyr „Pandur“ die Ausschreibung und der „GAF“ blieb ein Einzelstück. Er wird an der Schule gehegt und gepflegt und repräsentiert ein Stück österreichischer Militärfahrzeuggeschichte.
Nach dem Vortrag bot sich die Gelegenheit, zwei aktuelle Fahrzeuge im Geländeeinsatz zu sehen. Ein 3-achsiger SX aus der laufenden Produktion des Liesinger MAN Werkes in rechtsgelenkter Version repräsentierte den aktuellen Stand der Fahrzeugentwicklung, während ein ganz besonderes Einzelstück das Interesse aller Besucher erweckte – ein 4-achsiger MAN KAT, welche durch seinen Besitzer auf einen im Heck eingebauten MTU Motor umgebaut wurde, wie er im Schützenpanzer „Marder“ zum Einsatz kommt. Als V6-Vorkammer Turbo-Dieselmotor liefert der MTU 833 eine Leistung von 600 PS aus 22.4 Litern Hubraum. Der stolze Eigentümer, Hugo Vogelsang (siehe auch „Die Breslau – That’s my Race“, https://www.youtube.com/watch?v=KZn_tSpJ1ow), war extra für die Veranstaltung über 1000 Kilometer auf Achse aus Norddeutschland angereist und präsentierte das Fahrzeug ausgiebig im Gelände (siehe dazu auch unsere Video-Kollektion).