Zu Beginn der 1950er Jahre wurde die mittlere Artillerie-Zugmaschine AT-S in der Roten Armee eingeführt und bewährte sich durch gute Geländegängigkeit und – für die damalige Zeit – hohe Geschwindigkeit als Kettenzugmittel für schwere Geschütze und Funkmess-Stationen.
Ihr Nachfolger wurde Ende der 1950er Jahre die ATS 59.
Bei der ATS 59 wurde auf bewährte Baugruppen aus dem sowjetischen Fahrzeugbau zurückgegriffen. Kraftübertragung und wesentliche Teile des Laufwerkes stammten vom Kampfpanzer T-54, auch beim Motor griff man auf den bekannten Zwölfzylinder-Saugdieselmotor in einer gedrosselten Version zurück. Der nun als А-650 bezeichnete Motor leistete 300 PS (221 kW) bei 2600 U/Min aus 38.8 Litern Hubraum. Das Laufwerk verfügt über fünf drehstabgefederte Laufrollen mit Triebrädern vorne. Hauptnachteil der ATS 59 war die zu kleine Kabine, die normalerweise den Personentransport auf der Ladefläche unumgänglich machte. Bereits nach kurzer Zeit wurde sie durch die ATS 59 G mit größerem Fahrerhaus mit insgesamt sieben in zwei Reihen angeordneten Sitzplätzen ersetzt. Das Fahrerhaus wurde durch den Einbau einer Überdruck-Belüftung mit Filteranlage ABC-tauglich gemacht. Im Unterschied zur ATS 59 wurde der Motor wegen der besseren Gewichtsverteilung hinter der Kabine unterhalb der Ladefläche eingebaut. Wechsel- und Lenkgetriebe sitzen vor dem Motor. Der maximale Bodendruck beträgt 0,52 kg/cm2, die Steigfähigkeit im beladenen Zustand ohne Anhänger 35 %, die Bodenfreiheit 425 mm. Das Fahrzeug kann ohne Vorbereitung bis zu 1,5 m tiefe Gewässer durchfahren und bis zu 1,1 m hohe Hindernisse überwinden. Die Nutzlast beträgt 4 t, die Anhängelast 14 t, die ATS-59 verfügt über eine mechanisch angetriebene Seilwinde mit einer Zuglast von 15 t. Als Motor wurde der verbesserte A-650-B2 verbaut, nach wie vor in einer auf 300 PS gedrosselten Version. Fahrgestellseitig blieb das Fahrzeug unverändert.
Die ATS 59 G wurde hauptsächlich als Artilleriezugmittel genutzt. In der Sowjetarmee zog sie die 130-mm-Kanone M-46 sowie die Haubitzen des Kalibers 152 mm. Daneben wurde sie auch als Zugfahrzeug für die Startrampe des Fla-Raketensystems S-75 oder der Radarstation P-37 eingesetzt. Das Fahrzeug wurde auch an andere Armeen geliefert, die die entsprechenden sowjetischen Waffensysteme nutzten. Die Nationale Volksarmee der DDR beschaffte ebenfalls ATS 59 und nutzte sie bis Ende der 1970er-Jahre als Artilleriezugmittel. Nicht benötigte Fahrzeuge wurden an die Landwirtschaft abgegeben, wo sie auf schwierigen Böden wegen der hohen Zuglast und des geringen Bodendrucks besser als herkömmliche Ackerschlepper eingesetzt werden konnten.
Der auch in der ATS 59 G eingesetzte Zwölfzylinder Dieselmotor geht auf den V-2 Motor zurück, dessen Entwicklung in den frühen 1930er Jahren begann und der bereits während des Zweiten Weltkrieges im Kampfpanzer T34 eine Leistung von 500 PS erreichte. Er basiert auf einem Flugzeugmotor-Design, was durch den beibehaltenen Druckluftstarter sichtbar ist, der das einmalige Starten des Motors auch bei völligem Versagen der Batterien ermöglicht und über Druckluftflaschen im Fahrzeug versorgt wird. In seiner letzten Ausbaustufe erreichte dieses Aggregat – eingebaut im schweren Kampfpanzer T-72 – eine Leistung von über 1000 PS.
Unser Fahrzeug war eines der letzten noch gebauten und wurde kurz vor Ende des Warschauer Paktes 1989 an Lettland ausgeliefert. Es absolvierte die vorgeschriebene Einfahr-Prozedur über 300 km und wurde dann abgestellt. Als es nach Österreich kam, hatte das Fahrzeug 314 km auf der Uhr.